Führungsstile im Wandel

Chefsache oder welcher Führungsstil ist heutzutage gefragt?

Trust is the new control - Führungsstile im Wandel. HAPEKO-Geschäftsführer Benjamin Thomsen, 43, über Führungskräfte unter Legitimationsdruck, das Rückgrat von Mitarbeitern und warum Vertrauen die neue Kontrolle ist.

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Der Boss ist ein Choleriker, der – wenn er gerade nicht schreit – sich selber gerne reden hört und fremde Ideen für seine eigenen ausgibt. Gibt es solche Chefs heutzutage überhaupt noch?

Klar, gibt es die noch. Aber nicht mehr in der Häufigkeit. Und sie werden zunehmend Probleme bekommen, weil die Mitarbeiter immer mehr mit den Füßen abstimmen und das Unternehmen möglicherweise wegen eines schwierigen Chefs verlassen.

Eine schlechte Führungskultur ist Gift für das Unternehmen. Wie geht man aus Mitarbeitersicht mit Chef-Allüren um?

Die Frage ist immer: Welche Konsequenzen habe ich zu ertragen, wenn ich einen solchen Missstand anspreche? Aber ausgehend vom Kategorischen Imperativ: Was man selber nicht zugefügt haben möchte, sollte man auch keinem anderen zufügen. Und als Mitarbeiter sollte ich mir auch immer überlegen: In welcher Kultur will ich denn arbeiten? Ist mein direkter Vorgesetzter nur so, aber die Firmenkultur ist ansonsten okay, dann kann ich das vielleicht intern eskalieren und ausräumen. Aber es stellt sich schon die Frage: Wie viel Rückgrat habe ich, wenn vielleicht mein Arbeitsplatz bedroht ist? Je wertvoller meine Qualifikation ist und meine Leistungsbereitschaft, desto eher werde ich am Markt fündig werden.

Ein narzisstischer, machiavellistischer Führungsstil hat inzwischen ausgedient – zumindest in der Theorie. Trotzdem erwogen im vergangenen Jahr mehr als 30 Prozent der Beschäftigten, den Arbeitsplatz zu wechseln – in der Hoffnung auf einen besseren Chef. Wie sieht so ein New Leader aus, was bringt er mit?

Der New Leader wird versuchen, Mitarbeiter besser zu machen. Er wird versuchen, sie zu befähigen und sie damit ans Unternehmen zu binden. Denn wenn eine Führungskraft seine Mitarbeiter besser macht, wird letztlich auch das Unternehmen besser und auch seine Leistung wird mehr gewürdigt.Viele Führungskräfte haben einen Legitimationsdruck, glauben, möglichst alles selber entscheiden zu müssen. Glauben, ganz viel selber machen zu müssen. Und vielleicht auch etwas unnahbar sein zu müssen. Das ist aber der falsche Ansatz. Wichtig ist, möglichst eng mit den Mitarbeitern in Verbindung zu bleiben. Was sind denn die Trigger, die dafür sorgen, dass der andere besser wird? Die meisten Menschen wollen sich ja entwickeln – und genau das muss man als gute Führungskraft befördern. Und eines nie vergessen: Ein bisschen mehr Mensch sein, dann ist man schon auf einem guten Wege.

„Trust is the new control“: Das könnte ein neues Mantra innerhalb der Führungskultur werden. Auch da hat sich der Stil verändert. In Zeiten der Digitalisierung stellt sich die Frage: Wie lenkt man klug aus der Ferne?

Möglichst dicht dranzubleiben ist wichtig. Wir haben das ja in der ersten COVID-Zeit gemerkt. Am besten ist immer das persönliche Gespräch, wenn das nicht möglich ist, trifft man einander per Videokonferenz. An dritter Stelle kommt das Telefon und ganz am Schluss die Mail.Zum Punkt Vertrauen: Es ist gar nicht so leicht, das Vertrauen in die Mitarbeiter zu haben. Aber als gute Führungskraft muss ich mich immer wieder fragen: Was brauchen meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um ihre jeweilige Aufgabe zu erfüllen oder gar überzuerfüllen? Jeder will doch auch seinen Footprint hinterlassen. Sich zeigen. Aber dafür muss man als Chef den Mitarbeitern auch genügend Raum lassen.

Die Generationen Y und Z lieben schicke Sofas, Kickertische und das After-Work-Bier. Und sie wollen selbst bestimmen. Also sind Chef-Gängelband und Gutsherren-Art passé, richtig?

Gutsherrenart und Chef-Gängelband möchte niemand. Gesucht wird Orientierung und echte Entwicklung. Schicke Sofas und Kickertische und nice to have aber keine ausschlaggebenden Kriterien für die Entscheidung der Jobauswahl. Gerade in der jüngeren Generation fragen sich die Menschen nach dem Warum, nach dem Zweck, nach dem Sinn. Oftmals wird der Begriff „New work“ gleichgestellt mit wenig Leistungsorientierung. Das ist eine Fehldeutung. Wir sehen doch in Umfragen, dass Leistung zu geben auch von der jüngeren Generation gewollt wird. Also warum soll eine Führungskraft nicht Leistungsbereitschaft fordern? Angenehme Rahmenbedingungen und Leistungsorientierung sind kein Widerspruch für mich.

Wie kann man sich die Führungskultur bei HAPEKO vorstellen? Und hat sich diese auch durch die COVID-Phase nochmals verändert?

HAPEKO ist ja im vergangenen Sommer in einen internen Verschmelzungsprozess eingetreten (Anm. der Redaktion: Seit 01.08.2019 firmiert HAPEKO als Deutschland GmbH). Deshalb haben wir auch verschiedene Führungsstile vereinen müssen. Und in dieser Phase lernen wir alle immer dazu. Auch ich. Was uns COVID darüber hinaus beigebracht hat, ist, oftmals noch schneller zu reagieren. Über Nacht gab es Videokonferenzen, es wurden Stand-up-Meetings eingeführt und natürlich Home-Office für alle Mitarbeiter.Wir bei HAPEKO haben immer versucht, möglichst nahe an den Menschen dranzubleiben. Das haben wir noch verstärkt in den Corona-Zeiten - durch Vlogs der Geschäftsführung, durch den Puls Check, also interne Online-Umfragen. Weil wir hören wollen: Wie geht's euch eigentlich? Was braucht ihr gerade? Und auch: Wo sind neue Ideen, wo müssen wir besser werden? Wir wollen möglichst alle an Vielem teilhaben lassen. Das ist auch eine Art der Führung.


Credit

Autorin: Carin Pawlak, Mitglied der Geschäftsleitung HAPEKO

Foto: Sam Edwards