Ist Diversität – oder Diversity – nach der Frauenquote der nächste große Trend auf dem Arbeitsmarkt?
Das ist mehr als ein Trend, es ist Teil der gesellschaftlichen Entwicklung. Diversität kann grundsätzlich zur Unternehmensbereicherung beitragen, aber die Gefahr besteht, dass wir manches aus zu enger Brille sehen. Denn zunächst fällt einem als erstes die Gleichberechtigung der Geschlechter ein. Dann vielleicht Migrationsgeschichte, Religion, Themen bis hin zu sexueller Orientierung oder gemischten Altersgruppen. Für einen der wichtigsten Punkte halte ich aber die Frage nach der sozialen Herkunft. Da haben wir immer noch Nachholbedarf.
Bleiben wir also bei Herkunft und Bildung. Die SPD hat in den 70er-Jahren eine große Initiative gestartet – Abitur und Studium für alle. Aber in kaum einem anderen Industriestaat hängt beruflicher Erfolg noch immer so stark vom Elternhaus ab wie in Deutschland.
Ich glaube, da ist inzwischen schon viel getan worden. Der Zugang zu Bildung ist durchaus für jeden vorhanden. Die Frage ist vielmehr: In welchem Netzwerk, mit welchem Habitus bin ich groß geworden? Denn dies entscheidet womöglich über eine Karriere, gerade wenn es um höhere Führungsfunktionen geht. In diesen Ebenen spielt die gesellschaftliche Herkunft sehr wohl eine Rolle. Das weiß ich aus eigener Erfahrung: Ich selber bin ja Arbeiterkind. Zwar stand mir in punkto Bildung sehr viel offen, aber was den Habitus in bestimmten gesellschaftlichen Schichten angeht, fühlte ich mich früher oft ein wenig fremd.
Wie kann man sich Insiderwissen, gesellschaftliche Codes und eine gewisse Weltläufigkeit aneignen? Oder funktioniert das gar nicht?
Die Chancen, um dazuzulernen, sind immer da. Aber die Frage ist doch: Wer hat einen Vorteil von Beginn an? Bin ich bereits in ein familiäres und gesellschaftliches Netzwerk geboren, das mich per se fördert? Denn natürlich habe ich in solchen Kreisen mehr Starthilfe als in Milieus, wo es eher pragmatisch zugeht. Und, auch das ist ja naturgemäß so: In jeder Gesellschaftsschicht hält man sich unter Gleichen auf. Mein Vater kannte logischerweise in seinem Bekanntenkreis viele Schrauber, weil er Kfz-Mechaniker war. Und meine Mutter als Verkäuferin hatte viele Freunde in dieser Berufsgruppe. Meine Eltern kamen deshalb natürlich nicht automatisch mit Unternehmenslenkern in Kontakt.
Geht es beim Weg zur Diversität nicht erst einmal darum, Vorurteile zu überwinden und das vermeintlich Fremde und Ungewohnte zuzulassen?
Wir sind in Unternehmen meistens auf Risikominimierung aus, deshalb denken wir oft in Schubladen. Da stört derjenige noch zu oft in unserem Beurteilungsvermögen, der nicht aus unserer Peer Group kommt. Jetzt mehren sich die Chancen, dass wir auch auf Ausprägungen schauen, die bislang nicht in unserem Fokus standen. Also, ja, es geht natürlich auch darum, Vorurteile zu überwinden. Aber professionell geht es vor allem darum, mit mehr Möglichkeiten Dinge besser zu machen.
Wie können die Beraterinnen und Berater von HAPEKO ihre Klienten beim Gelingen von Diversity unterstützen, damit das Thema nicht nur eine trendige Werbebotschaft bleibt?
HAPEKO-Beraterinnen und Berater unterstützen ihre Klienten dabei, die bestmögliche Besetzung zu finden. Wir sehen genau hin, ob bestimmte Anforderungen an ein Stellenprofil verändert oder ergänzt werden könnten. Wie kann man Talente fördern? Wie vielleicht Aufgaben sinnvoller zuschneiden? Dank Digitalisierung können diversere Formen inzwischen viel leichter in die Realität umgesetzt werden. Es geht um viel mehr als das Geschlecht oder die Hautfarbe, es geht um die bessere Zukunft der Unternehmen. Wir beraten unsere Mandanten, indem wir auf potenzielle Beurteilungsfehler hinweisen. Und wir versuchen, Vorurteile aufzudecken und zu hinterfragen.
Mehr zum Thema Diversität:
Zu den wesentlichen Vorteilen, die Diversity Management für Unternehmen hat, zählen die Perspektiven-Vielfalt in Teams, aber auch die gesteigerte Kreativität und bessere Problem-Lösungsfähigkeiten sowie eine geringere Fluktuation innerhalb der Belegschaft. Eine Übersicht findet sich auf der Website "Together Equal".
Unternehmen, die auf Diversität Wert legen, verbessern nicht nur die eigene Unternehmenskultur, sondern haben auch einen Vorteil um Wettbewerb und qualifizierte Arbeitskräfte: Bereits im Jahr 2020 gaben in einer Studie der Job- & Recruitingplattform Glassdoor drei Viertel Befragten an, ihnen sei Diversität im Team wichtig, und sie würden darauf bei potenziellen Arbeitgebern achten.
Die Verankerung sozialer Vielfalt in der Organisation ist idealerweise Teil der Unternehmensstrategie. Diese Vielfalt kann sich auf verschiedene Arten zeigen und von Unternehmen gelebt werden. Zu den Diversity-Faktoren zählen innere Faktoren wie Alter, Geschlecht, Bildung, ethnische Herkunft oder Religion, aber auch äußere Faktoren wie Ausbildungswege oder Berufserfahrung. Diversity Management sollte insbesondere bei den Maßnahmen zur Personalgewinnung berücksichtigt werden. Denn: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlicher sozialer Herkunft bringen Talente mit ins Team, die wertvoll sind, wie etwa die Übung darin, zwischen verschiedenen Welten zu navigieren. Oft verfügen die Aufsteigerinnen und Aufsteiger auch über eine große Portion Mut. Mit welchen Maßnahmen es dem Management gelingt, solche Personen im Recruiting nicht versehentlich zu benachteiligen, erläutert ein Artikel im Magazin "Human Resources Manager": https://www.humanresourcesmana...
Artikel erstellt im Februar 2023. Benjamin Thomsen war geschäftsführender Gesellschafter von HAPEKO von 2019 bis 2023.
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Autorin: Carin Pawlak